Dichtung in al-Andalus

Es gibt Erinnerungen an das Wunder von al-Andalus: In dieser Zeit entstanden Lieder und Gedichte, die noch heute einzigartig und modern sind. Sie spiegeln die göttliche Liebe in der irdischen Liebe wieder. Das Himmlische wurde in ihnen sinnlich, das Heilige komisch und das Lüsterne rein.
Sowohl Männer wie Frauen schufen verschiedene Formen des Eros in der andalusischen Dichtung:

Landschaftserotik – eine Verehrung der Natur und insbesondere der Gärten als Spiegelung des Paradieses auf Erden

göttlicher Eros – die Verehrung des Geliebten und der Geliebten als Spiegelungen des göttlichen Geliebten

Sinnesfreude und Ekstase – Wein, Gesang, Tanz, Sinnlichkeit als Spiegelung der rauschhaften Hingabe an den göttlichen Geliebten

Geschlechterindifferenz – eine fließende Grenze in der geschlechtlichen Identität des Geliebten mit einer Offenheit auch für Homoerotik

Neben der thematischen fand auch eine kulturelle Durchmischung statt. Der Romanistikprofessor Georg Bossong schreibt: „Auf hispanischem Boden vollzog sich die symbiotische Verschmelzung von arabischer und hebräischer Sprachkultur; nur hier kam es zu einer doppelten Blüte- und darüber hinaus zum ersten Aufknospen einer dritten Blüte, der Dichtung in den romanischen Sprachen. Nirgends kam es zu einer solchen Durchdringung der Sprachen und Literaturen wie in al-Andalus. Gewiss gab es auch hier Konflikte, Verfolgung und Unterdrückung. Aber für einen kurzen historischen Moment wurde der Traum von einem friedlichen Miteinander Wirklichkeit.” (Das Wunder von al-Andalus S. 38)

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Bild am Seitenanfang: Beate Simon, Paradiesgarten