Die islamische Kunst von al-Andalus verweist auf die Spuren ihrer Herkunft, sie zeigt Einflüsse aus Syrien und Persien, aber auch Merkmale byzantinischer Kultur und entwickelte daraus eine eigenständige Variante. Im Zentrum der Kunstformen steht die Ornamentik, zusammengefasst in dem Begriff Arabeske, die sich mit mathematischer Genauigkeit wiederholt und ineinander verflochten ist.

„Der dich erschuf, dann dich in Symmetrie formte und dann die richtige Gestalt gab.“ (Koran Sure 82/Vers7)

Ausgangspunkt sind dabei oft Motive aus der Pflanzen- und Tierwelt, häufig werden auch Texte aus dem Koran, besonders der Namen Allahs, in das Gesamtornament eingeflochten. In seinem Roman „Das Geheimnis des Kalligraphen“ schreibt der deutsch-syrische Schriftsteller Rafik Schami: „Die arabische Schrift ist wie geschaffen dafür, Musik für das Auge zu sein. Da sie immer gebunden geschrieben wird, spielt die Länge der Bindung zwischen den Buchstaben eine große Rolle bei der Komposition. Die Dehnung und Kürzung dieser Bindung ist fürs Auge wie die Verlängerung oder Kürzung der Dauer eines Tones für das Ohr. (…) Und auch die unterschiedliche Breite sowohl der Buchstaben als auch der Übergänge am Fuß, Rumpf und Kopf der Buchstaben, von haarfein bis ausladend, beeinflusst diese Musik fürs Auge. Die Dehnung in der Horizontalen, das Wechselspiel zwischen runden und eckigen Buchstaben, zwischen senkrechten und waagerechten Linien nimmt Einfluss auf die Melodie der Schrift und erzeugt eine leichte, verspielte und heitere, eine ruhend melancholische oder gar eine schwere und dunkle Stimmung.“

Detail von der Sala del Mexuar. La Alhambra, Granada. «Sólo Dios es vencedor», von Roberto Chamoso G (Eigenes Werk) (CC BY-SA 3.0 es (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/es/deed.en)), via Wikimedia Commons

Detail von der Sala del Mexuar. La Alhambra, Granada. «Sólo Dios es vencedor», von Roberto Chamoso G (Eigenes Werk) (CC BY-SA 3.0 es (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/es/deed.en)), via Wikimedia Commons

Die Hervorhebung von einzelnen Elementen sollte der islamischen Auffassung gemäß verhindert werden. Die unendlichen Entfaltungen und die Zurücknahme der schöpferischen Manifestationen gelten als Zeichen für die Allgegenwart des Schöpfers. Die Menschen werden durch die künstlerische Form des Ornaments aufgefordert, sich an die verborgene Göttlichkeit zu erinnern (Dhikr). In der islamischen Kunst haben sich dafür abstrakte Darstellungen entwickelt:

  • Die Kalligraphie als bildliche Wiedergabe des Wortes Gottes
  • Das geometrische Ornament als Darstellung der Verflechtungen eines unfaßbaren Daseins
  • Architektonische Formen, wie z.B. die Moschee und der Garten.

Der Schriftsteller Ilija Trojanow, beschreibt die Symmetrie der Ornamente in der islamischen Kunst als zentrales Prinzip des Göttlichen: „Keinem der Elemente wird ein höheres Gewicht eingeräumt- ein Ausdruck dessen, vielleicht, dass alle Menschen gleich sind…Wir finden somit ein Zusammenspiel von Makro- und Mikrokosmos vor, zwischen abstraktem Entwurf und konkretem Dasein. Das Geheimnis der Schönheit liegt in der komplexen Beziehung, die zwischen all diesen gleichwertigen Teilen besteht. Islamische Kunst in ihren vielen Formen ist eine einzige Lobpreisung…Der Koran betont, dass Gott sich der menschlichen Vorstellung entzieht und dass wir über ihn nur in Zeichen und Symbolen sprechen können, die Sein unbeschreibliches Wesen zugleich offenbaren und verbergen.“(„Rezitation in Stein“ in Ilija Trojanow: Sehnsucht, S. 45-50)

Das geschickte Zusammenspiel von räumlichen Strukturen, symbolischen Formen und Farben in die das Spiel von Licht und Schatten einbezogen wird, erzeugt beispielsweise Architektur einen Raum, der einen magischen Effekt hervorbringt. Noch heute zeugen die Alhambra in Granada und die Moschee von Cordoba von dieser Magie.

Eine besondere Rolle spielte die Gartenbaukunst, die als Abbild des Paradies auf Erden verstanden wurde.(D.H.: folgende Informationen verdanke ich der Gartebauarchitektin Kerstin Sailer). Der Garten wird als Ort der irdischen Lüste und des Genusses beschrieben, womit das Paradies des Jenseits im Hier und Jetzt vorweggenommen wird. Der Garten ist auch als Gegenpol zur Wüste zu sehen, ein von Menschen eingefriedeter und angeeigneter Raum, der sich durch hohe Mauern vor Lärm, Staub und Schmutz schützt und dadurch den sinnlichen Genuss von Duft, Farben und Abgeschiedenheit und Einsamkeit ermöglicht. Die Richtung nach innen spiegelt im Islam die ideale Situation des Menschen wieder, der durch mangelnde Beachtung des Äußeren an Raum für das Innenleben und die Seele gewinnt. Die Suche nach innerem Frieden und Privatheit bedingen die nach innen orientierten Gärten. Der Garten reflektiert somit den Kosmos in Ordnung und Harmonie. Der fließende architektonische Raum zwischen Garten und Palast korrespondiert mit dem fließenden Übergang zwischen der geistlichen Welt und der Welt auf Erden. Durch die Synthese aus klarer Form und der Verwendung reinen Wassers wird eine Verbindung zur Klarheit und Reinheit des Paradieses geschaffen. Die besondere Bedeutung des Wassers erklärt sich sowohl ästhetisch (Schönheit, Eleganz, Aussehen, Sinneserfahrung, Geräusche), wie praktisch (Kühle, Lebensspender in der Trockenheit), aber auch religiös. Der Koran spricht an über 30 Stellen vom Wasser im Paradiesgarten:

„Vier Flüsse strömen im Paradies:
Ströme von Wasser, das nie verdirbt;
Ströme von Milch, deren Geschmack sich nie ändert;
Ströme von Wein, lieblich für die Trinkenden;
auch Ströme von gereinigtem Honig.“ [Sure des Korans]

In den Werken vieler Dichter wird al-Andalus insgesamt mit dem Garten des Paradieses gleichgesetzt.


Bild am Seitenanfang: Detail aus der Alhambra, von Gema de la fuente (La Alhambra) (CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)), via Wikimedia Commons, Quelle